Extensive Ganzjahresbeweidung durch Heckrinder und Koniks und Auswirkungen auf die Vegetation bei extensiver Ganzjahresbeweidung in der Emsaue bei Telgte

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"Extensive Ganzjahresbeweidung mit Heckrindern und Koniks"

Zusammenfassung

Großflächige, extensive Ganzjahres-Weidesysteme mit robusten Haustierrassen stellen ein junges, alternatives Naturschutzkonzept bei der Offenlandpflege dar, das mit geringem Finanz- und Personalaufwand verbunden ist. Leitbilder sind halboffene Weidelandschaften, die historischen Hudelandschaften ähneln. Oft werden konkrete Biotopschutzziele eingeschlossen. Heute ist die Meinung verbreitet, dass ohne Einfluss des Menschen große Pflanzenfresser integraler Teil europäischer Naturlandschaften wären. In der Emsaue bei Telgte begann im Jahre 2004 das hier behandelte Projekt mit Heckrindern und Koniks. Derzeit haben derartige Weideprojekte aufgrund der Neuartigkeit des Ansatzes noch Experimentcharakter.

Im Rahmen dieser Arbeit wird das Raumnutzungsverhalten der Weidetiere im Projektgebiet beschrieben, Faktoren ermittelt, die das Raumnutzungsverhalten steuern, Beobachtungen mit Erfahrungen aus anderen Projekten verglichen, erste naturschutzfachliche Einschätzungen formuliert und auf Aspekte hingewiesen, die Gegenstand weiterer Monitoringuntersuchungen sein könnten. Dabei wird jahreszeitlichen Aspekten besondere Beachtung geschenkt.

Es konnten jahreszeitliche Unterschiede in der Fraßnutzung von Offenlandbiotopen festgestellt werden, die vor allem durch das Futterangebot erklärbar sind. Futterbezogen geringwertige Vegetation, darunter Nitrophyten-, Scirpus sylvaticus-, Juncus spp.-, Carex acuta-Bestände und Ufervegetation von Kleingewässern werden vorwiegend bei winterlicher Nahrungsknappheit befressen. Vegetation mittleren Wertes, wie Ruderalvegetation und Flutrasen, Feuchtgrünland-, Holcus lanatus-reiche- und Phalaris arundinacea-Bestände, wird ganzjährig, aber verstärkt außerhalb der Vegetationsperiode befressen. Hochwertige Bestände, wie kaum verbrachte Glatthaferwiesen und Weiderasen, werden ganzjährig stark befressen. Auch jahreszeitliche Futterwertänderungen von Pflanzenarten und die Bestandesstruktur spielen bei der Wahl des Nahrungshabitats offenbar eine Rolle. Zwischen Gehölzarten können hinsichtlich Befraß Beliebtheitsunterschiede festgestellt werden. Dies gilt vor allem für Sträucher und Jungwuchs. Adulte Bäume erleiden kaum Schäden. In Offenlandbiotopen und an Kleingewässern fällt mengenmäßig Jungwuchs von Alnus glutinosa und Salix spp. ins Gewicht. Ersterer wird nur im Winter mäßig stark an den Zweigspitzen befressen. Das Laub ist unbeliebt. In vielen Bereichen wird ein Aufwachsen vermutlich nicht verhindert, aber verzögert werden. Jungwuchs von Salix spp. erfährt ganzjährig starke Schädigung und wird wahrscheinlich nicht in der Lage sein, Offenlandbiotope und Kleingewässer zuzuwachsen. Die Heckrinder beeinträchtigen Gehölze offenbar stärker als die Koniks. Gehölzschäden sind ganzjährig zu beobachten, Fraß geschieht bei vielen Gehölzarten besonders im Winter. Auffällig sind zu dieser Zeit starke Rindenschälschäden an jungen Weichhölzern (Salix spp. und Populus spp.) durch die Rinder, die in einigen Gehölzbiotopen zu deren Entfernung führen werden. Bei den bewehrten Arten Prunus spinosa und Rosa canina wird vor allem während der Vegetationsperiode das Laub gefressen. Heckrinder und Koniks unterscheiden sich hinsichtlich großräumiger Bewegungsmuster und Mobilität. Die Aktivität der Rinder zeigt einige Schwerpunktbereiche, in denen geruht, wiedergekäut, aber auch gegrast wird. Die Koniks nutzen die Weide großräumig ausgeglichener. Ihr Fraß ist wahrscheinlich selektiver und sie können sehr rohfaserreiche Kost möglicherweise gewinnbringender verdauen. Auch fressen sie offenbar gern in sehr kurzrasigen Bereichen. Im Mai gibt es bei den Pferden Hinweise auf eine Differenzierung in Fraß- und Nichtfraß- bzw. Abkotbereiche in intensiver genutzten Weidebereichen. Im Februar ist dies nicht erkennbar. Standortfeuchte spielt eine untergeordnete Rolle bei der Habitatwahl der Weidetiere. Besonders bei gutem Futterangebot während der Vegetationsperiode werden frische Standorte gegenüber feuchten bevorzugt. Futterqualität und Standortfeuchte sind schwach negativ korreliert. Ein sehr trockener Rasenbereich wurde im Sommer nach Vertrocknen kaum mehr befressen. Im Sommer vertreiben Stechinsekten die Weidetiere von Kleingewässern und Feuchtgrünland. Die Trittfestigkeit von Flächen scheint einen untergeordneten Einfluss auf das Weideverhalten zu haben. Unwegsames Gelände, wie steile Böschungen, werden offenbar durch die Heckrinder stärker als durch Koniks begangen. Die Überflutung eines Weidepfades im Winter veränderte die Nutzungsintensität größerer Teilflächen der Weide. Im Winter und Sommer nutzen die Rinder verstärkt flächige Gehölzbereiche offenbar als Witterungsschutz. Linienhafte Gehölze sind bei beiden Tierarten ganzjährig beliebte Aufenthaltsorte. Daneben beeinflusst auch das Sicherheitsbedürfnis der Tiere deren Raumnutzung. Ruheplätze liegen bevorzugt an Stellen mit guter Geländeübersicht. Die Rinderherde zeigt Furcht vor Menschen und meidet offenbar Bereiche, in denen sich Menschen aufhalten oder die Möglichkeit dazu besteht.

Aus naturschutzfachlicher Sicht zeichnen sich positive als auch negative Effekte ab. Es entsteht ein kleinräumiges Mosaik aus intensiv genutzten Weiderasen und eher bracheartigen Beständen, Erstere bevorzugt nahe des Flusses und früherer Fahrwege. Durch Fraß, Tritt und Wälzen der Pferde könnten hier magere Weiderasen und Sandbodenpioniervegetation gefördert werden, was naturschutzfachlich positiv zu bewerten ist. Horstiger oder fleckenhafter Fraß, Meidung vieler Krautarten, Trittsiegel und Streufraß scheinen in Frischgrünlandbereichen die Pflanzendiversität zu steigern. Krautarme Glatthaferwiesenbestände werden ganzjährig befressen, was dem traditionellen Nutzungsregime widerspricht und eher negativ zu bewerten ist. Im Feuchtgrünland besteht die Gefahr einer Verkrautung mit starkwüchsigen Arten, die vom Vieh gemieden werden. Besonders im Winter entstehen Trittsiegel, was die Keimung von Erlen fördern könnte. Je nach Intensität des Viehtritts ist in den Uferbereichen von Kleingewässern mit der Entstehung von Übergängen zwischen Röhrichtbereichen bis hin zu Offenbodenstellen und einer Erhöhung der Pflanzendiversität zu rechnen. Urtica dioica-Bestände erfahren Spitzenfraß, werden flächig betreten und unter dem Einfluss der Weidetiere vermutlich zurückgedrängt. Impatiens glandulifera wird bis zum Aussamen kaum befressen. Trotz starker Trittschäden können viele Individuen aussamen. Im Winter entsteht in Dominanzbeständen durch Viehtritt Offenboden, was die Keimung fördern könnte und aus Naturschutzsicht nicht wünschenswert ist. Die Art ist vor allem an Gehölzrändern und nur in geringem Maße im Grünland vertreten. Viele naturschutzfachlich bedeutende Fragen werden erst durch spätere Monitoringuntersuchungen zu klären sein, da die vorliegende Arbeit nur eine „Momentaufnahme“ in einem frühen Projektstadium darstellt. Insgesamt scheint sich eine positive Entwicklung des Gebietes unter extensiver Beweidung abzuzeichnen bei relativ geringem Pflegeaufwand.

Beckmann, Christian (2007):

Raumnutzung durch Heckrinder und Koniks und Auswirkungen auf die Vegetation bei extensiver Ganzjahresbeweidung in der Emsaue bei Telgte.

Unveröffentlichte Diplomarbeit am Institut für Landschaftsökologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Gutachter:
Dr. A. Vogel
Prof. Dr. G. Schulte

Eine ausführlichere Darstellung wesentlicher Inhalte dieser Arbeit finden Sie in dem Artikel

"Saisonale Unterschiede der Fraßnutzung von Biotoptypen durch Heckrinder und Koniks und deren Auswirkungen auf die Vegetation bei extensiver Ganzjahresbeweidung in der Emsaue bei Telgte, NRW"

auf dieser Homepage.

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